Rechnen in der Zeitdomäne: Memristive Elemente für das Time Domain Compute-in-Memory (TD-CIM)

Zeit ist kontinuierlich und addiert sich. Diese einfache Erkenntnis nutzt das Team Florian Freye, Jie Lou and Prof. Tobias Gemmeke am Lehrstuhl IDS der RWTH Aachen für die Entwicklung von neuromorphen Schaltungen im Rahmen des NEUROTEC Projekts. Diese bauen grundsätzlich auf dem Konzept des Rechnens im Speicher (CIM) auf - ein Paradigma aus dem neuromorphen Computing, das sich am menschlichen Gehirn orientiert und die herkömmliche von Neumann Computer-Architektur mit Trennung von Speicher und Prozessor überwindet. Der zusätzliche Trick hier: Es werden nicht Ladungen oder Ströme addiert, sondern zeitliche Verzögerungen. Zusammen ergibt sich das neuartige Konzept Time-Domain Computing-in-Memory (TD-CIM). 

Rechnen in der Zeitdomäne: Memristive Elemente für das Time Domain Compute-in-Memory (TD-CIM)
IEEE ; DOI: 10.1109/JXCDC.2022.3217098

Eine wesentliche Innovation ist jetzt die Realisierung der Verzögerungen mit programmierbaren Widerständen wie sie vom Team aus Christopher Bengel (IWE2, RWTH) sowie Stephan Menzel, und Stefan Wiefels (PGI-7, FZJ) am FZJ erforscht werden.

Hierzu wird ein diskretes Signal beim Durchlaufen eines Netzwerks von digitalen Verzögerungsgliedern entsprechend zum programmierbaren Widerstandswert zeitlich verzögert. Das resultierende Signal hat die Zeitverzögerung der Summe der einzelnen Zeitverzögerungen angesammelt. Wegen der vorteilhaften Eigenschaften eines geringen Flächenbedarfs und der stromlosen (nicht-volatilen) Speicherung des Widerstandswerts, kommen sogenannte memristive Elemente als Speicher vom FZJ zum Einsatz.

Die Jülicher Forscher haben große Expertise in der Charakterisierung und Modellierung solcher memristiver Elemente, die auf dem Valenzwechselmechanismus (VCM) basieren und winzige filamentäre leitende Verbindungen im isolierenden Metalloxid zwischen zwei Metallelektroden ausbilden. Diese memristiven Elemente lassen sich im Widerstandswert programmieren. Bei ihrer Herstellung werden sie als oberste Strukturen auf einer CMOS-Schaltung integriert, was den Flächenbedarf des Speichers eliminiert. Eine herausfordernde Eigenschaft dieser Elemente ist ihre relativ große Variabilität von Element zu Element, aber auch bei den Einstellvorgängen innerhalb eines Elements. Auch Ausfälle des Schaltens kommen vor.

Im Rahmen der gemeinsamen Forschungsarbeit wurden die kalibrierten physikalischen Modelle der neuartigen VCM-Bauelemente - einschließlich der Auswirkungen von Variabilität und Zuverlässigkeit – in das Verhaltensmodell der TD-CIM Schaltung integriert. Eine genaue Analyse zeigte die Leistungsfähigkeit bei Ihrem Einsatz in bitweisen und multi-bit Realisierungen in Bezug auf die Genauigkeit der Klassifizierung durch ein neuronales Netzwerk. Die vielversprechenden Resultate: Bei vergleichbarem Energieaufwand konnte die Fläche im Vergleich zu reinen CMOS/Implementierungen signifikant reduziert werden. Obwohl das Verhältnis von Signal und Rauschen bei nominaler Spannung derzeit noch zu hoch ist, so skaliert dieses bei verringerter Versorgungsspannung deutlich besser als klassische CMOS/Lösungen. Wärend der binäre Fall somit bereits konkurrenzfähig ist, so bedarf die Nutzung für Multibit noch weiterer Verbesserung der memristiv schaltenden Bauelemente.

Letzte Änderung: 21.12.2022