AP1 Materialentwicklung für memristive Zellen

Memristive Zellen sind neuartige Bauelemente mit eigenem „Gedächtnis“. Ihnen wird in der energieeffizienten Umsetzung neuromorpher Funktionen eine wichtige Bedeutung zugeschrieben. Nichtflüchtige memristive Zellen ermöglichen die Realisierung energieeffizienter Rechnen-im-Speicher-Konzepte (CIM - computing in memory), in denen die strikte Trennung von arithmetisch-logischer Einheit und Speicher aufgehoben ist, und dienen als künstliche Synapsen in neuromorphen Schaltungen. Flüchtige Schwellenwertschalter können als künstliche Neuronen eingesetzt werden. Memristive Bauelemente werden seit der Jahrtausendwende intensiv erforscht, zunächst für eingebettete Speicher aber mittlerweile zunehmend für den Einsatz in CIM und Assoziativspeichern (CAM – content addressable memory). Der notwendigen gleichzeitigen Optimierung und Weiterentwicklung memristiver Zellen und neuromorpher Schaltungskonzepte trägt NEUROTEC in seiner Projektstruktur Rechnung.

Im Bereich der Materialentwicklung für memristive Zellen setzt AP1 bewusst zwei Schwerpunkte.

Einerseits wird die Reifung etablierter Materialsysteme bis hin zur Ko-Integration auf funktionale neuromorphe Chips vorangetrieben. Im Fokus der Optimierung stehen hier dabei oxid-basierte Valenzwechselzellen (VCM – valence change mechanism) [10.3389/fnins.2021.661856][10.3389/fnins.2021.661261] und elektrochemische Metallisierungszellen (ECM – electro chemical metallization cells) [10.1002/adfm.202111242] sowie Zellen aus Phasenwechselmaterialien (PCM – phase change mechanism) [10.1002/aelm.202100974].

Demonstration of Pr0.7Ca0.3MnO3 (PCMO) based memristive devices as hardware synapse: (a) Realisation of the biological learning rule “Spike-timing-dependent plasticity” for spiking neural networks and (b) potentiation and depression curves for artificial neural networks (A. Gutsche et al., Frontiers of Neuroscience (2021)).
Atomic resolution structural investigations via scanning transmission electron microscopy (STEM). The diverse stacking sequences between septuple (7-atomic) and quintuple (5-atomic) layer structures can be observed in GST-2611.
Rasterelektronenmikroskopaufnahme von 2D-WS2-Kristallen auf Multilagen-Graphen. Auf dem hellen Graphen sind die 2D-WS2-Kristalle grün eingefärbt. Die steigende Farbintensität kennzeichnet Monolagen, Bilagen und Multilagen.

Zweitens, werden neuartige memristiver Zellen auf Basis von 2D-Materialien einschließlich des Transfers auf CMOS-Schaltungen erforscht. Dafür werden das kontrollierte Schichtwachstum und definierte Transferprozesse [10.1109/SNW51795.2021.00041] (zusammen mit AP2) in skalierbaren Verfahren untersucht und entwickelt.

Die Optimierung des Schichtwachstums und der Materialstapel der memristiven Zellen geschieht in AP1 gezielt mit der Intention einer späteren Überführung in die industrielle Fertigung. Dies bedeutet, dass die Prozesse kompatibel sind zur aktuellen Halbleitertechnologie (CMOS – complementary metal oxide semiconductor) in Bezug auf das Temperaturbudget sowie auf die Skalierbarkeit auf Waferdurchmesser von 300 mm. Für die filamentär-schaltenden VCM-und ECM-Zellen auf Basis von Übergangsmetalloxiden werden chemische und physikalische Gasphasendepositionsmethoden wie Atomlagenabscheidung (ALD – Atomic layer deposition) und Sputtern eingesetzt. Die Strukturierung der einige-zehn Nanometer kleinen Bauelemente geschieht in einem 1000 m2 Reinraum auf dem Campus Jülich [www.fz-juelich.de/hnf] und an der RWTH [cmnt.rwth-aachen.de] mit moderner Elektronenstrahllithographie. Für das Wachstum der in flächig-schaltenden VCM-Zellen eingesetzten Al/(Pr,Ca)MnO3 Doppelschichten wurde in der ersten Projektphase eine gepulste Laserdepositionsanlage für Substrate mit bis zu 10 cm Durchmesser beschafft. Im K2 Projekt führen außerdem das PGI-7/FZJ und Surface Technology & Systems GmbH darauf gemeinsame F&E Aktivitäten durch. Die Optimierung der Stöchiometrie- und dimensionskontrollierten PCM-Systeme und des selektiven Wachstums auf strukturierten Siliziumsubstraten geschieht mittels Molekularstrahlepitaxie (MBE) und metallorganischer chemischer Gasphasenabscheidung (MOCVD). Im Fokus von AP1 stehen dabei die Erarbeitung eines tieferen physikalischen Verständnisses der Schalt- und Fehlermechanismen (mit AP3) mit dem Ziel, eine bessere Zuverlässigkeit zu erreichen), die umfassende elektrische Charakterisierung (mit AP4), die Integration in größere Blöcke und Netzwerke (mit AP2) und die Ko-Integration in CMOS-Schaltungen im DP-Projekt. Diese Chips sollen zentrale Funktionalitäten des neuromorphen Computings mit memristiven Zellen demonstrieren (mit AP5 und AP6).

Die chemische Gasphasenabscheidung (CVD und MOCVD) gestattet die Skalierung von Prozessen auf große Wafer und stellt daher ein ideales Verfahren für das Wachstum von 2D-Materialien wie Graphen, hexagonales Bornitrid und Übergangsmetalldichalkogenide dar.

Für die Entwicklung industrierelevanter, skalierbarer Abscheideprozesse stehen an der RWTH und am FZJ seit der ersten Projektphase kommerzielle CCS Flip-top MOVPE-Systeme des in der Region ansässigen Anlagenherstellers AIXTRON SE zur Verfügung. In Kooperation des FZJ und der RWTH knüpft AIXTRON eigene F&E-Aktivitäten an und bringt industrielle Anforderungen und Einschätzungen ein. Die Analyse der Schichten und Defekte geschieht am FZJ und an der RWTH über integrale spektroskopische Methoden sowie über hochauflösende strukturelle und Oberflächenanalytik.

Letzte Änderung: 18.04.2024